Praktische Erfahrungen aus über 10 Jahren wissenschaftlich begleiteter Projektarbeit in der Rhein-Neckar-Region
Dieser Artikel ist Grundlage des Vortrags von
Frau Dr. Ulrike Hoge - Erziehungswissenschaftlerin -
im Rahmen der Fachtagung der Polizeidirektion Heidelberg unter dem Titel:
Zukunft gestalten, Chancen ergreifen - durch erfolgreiche (Kriminal)Prävention
die am 29. April 2010 in Heidelberg stattfand.
Projekte und Projektziele:
Projekt |
Projektziel |
Gewaltfreie Klasse als Konfliktschlichter - Geschwister-Scholl-Schule, St. Ilgen
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8-Klässler der Schule werden 1 Jahr trainiert, um innerhalb der Schule eine Vorbildfunktion einzunehmen und aktiv Konflikte vorzubeugen oder zu schlichten. |
Gemeinde Neulußheim in Kooperation mit Schulen, Kindergärten, Jugendsozialarbeit, evangelischer Kirche |
Kooperation zwischen den verschieden Einrichtung sowie die Früherkennung von Gewalttendenzen und die Auflösung „verfeindeter“ Jugendgruppen |
Klassenprojekt in Ketsch
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Aufbau einer positiven Klassengemeinschaft und Vermittlung gewaltfreier Konfliktlösungsstrategien |
Gewaltlos glücklich/Coolnesstraining durch die Gesellschaft für Konfliktmanagement an der Hellpach-Schule/HD |
Zunächst sollten „Helfer“ ausgebildet werden, die in einem weiteren Programm Jugendliche unterstützen, die durch Gerichte oder Jugendsozialarbeit die Auflage hatten, teilzunehmen. |
BVB – Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen
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Unterstützung von Jugendlichen, die schwer in eine Ausbildung integrierbar sind und daher durch die F+U betreut werden |
Gemeinsamkeiten der Projekte:
- Jugendliche sollen lernen, Konflikte gewaltfrei zu lösen
- Gewalt sollte innerhalb der Gruppe keine Anerkennung mehr erfahren, um so die gewaltfreie Konfliktlösung zu etablieren
Untersuchungsmethodik:
Instrument: „künstliche Sozietät“
Teilnehmer bilden anhand von Charakteristik-Kärtchen und Fragebögen ihre Erfahrungen innerhalb ihrer Gruppe ab, identifizieren sich, zeigen persönliche Wünsche, Neigungen, Einschätzungen und Ängste auf, so dass beispielsweise eine konkrete Werteordnung sichtbar wird.
Zusammenfassung zentraler Ergebnisse:
- Werteordnungen waren in allen Projekten zunächst sozietätsschädigend: Drogenkonsum, Gewalt, Markenkleidung hatten hohe Stellenwerte, während soziale Jungen oder intelligente Mädchen in der Rangordnung unten standen.
- Ein Großteil der Teilnehmer konnte sich mit dieser Werteordnung nicht identifizieren, beugte sich lediglich der „Gewalt“ aufgrund fehlender Handlungs- und Durchsetzungsmöglichkeiten
- Negative Werteordnung war nicht Ursache sondern Symptom
Ermittelte Ursachen:
Gesellschaftliche Probleme:
- Jugendliche erleben sich selbst als gesellschaftlich nicht angenommen, fühlen sich reduziert auf die Sicherung der Rente älterer Generationen
- Gesellschaft bietet Jugendlichen wenig Möglichkeit, echte Verantwortung zu tragen
Soziale Probleme:
- Sozial benachteiligte Jugendliche haben extrem hohe Zukunftsängste oder bereits resigniert und streben daher nur noch akute Bedürfnisbefriedigung an
- Gerade sozial benachteiligten Jugendlichen fehlen Vertrauenspersonen, die ihre Lage wirklich kennen
- In Familie, Schule und Gesellschaft herrschen unvereinbare Wertvorstellungen
- Häufig fehlt echter Realitätsbezug, Wünsche sind unerfüllbar
Erzieherische Probleme:
- Falsches Selbstbewusstsein und zu hohe Selbsteinschätzung führen zu Konflikten mit der Umwelt und der Unfähigkeit sich zu verändern oder anzupassen
- Täter bekommen weit mehr Beachtung und Zuwendung als die Opfer
- Männliche Jugendliche glauben, sich zwischen Opfer- und Täterrolle entscheiden zu müssen
Angewandte Methoden um negative Werteordnungen zu verändern:
- Aktivitäten wurden initiiert, bei denen es gemeinsame Ziele gab, jedes Mitglied gebraucht wurde und verschiedenste Begabungen gefordert waren, gemeinschaftsfeindliches Verhalten wie Gewalt wurde so automatisch ausgeschlossen (= Bindung)
- Erfolge wurden ermöglicht (= Flowerlebnisse)
- Anerkennung für positives Handeln, insbesondere durch die Gruppe
- Aktivitäten wurden reflektiert und auf den Lebensalltag übertragen
- Echte Wertschätzung verschiedener Persönlichkeiten
- An Regeln, Erfahrungen und Erfolge wurde auch über die Projekte hinaus angeknüpft um bleibende Erfolge zu erzielen