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Starke JugendWiesbadener Erklärung des 12. Deutschen Präventionstages
Starke Jugend – Starke Zukunft

Nachfolgende Erklärung wurde vom 12. Deutschen Präventionstag in Wiesbaden abgegeben basierend auf dem Gutachten von Dr. Wiebke Steffen.

Jugendkriminalität und deren Vorbeugung oder Verhinderung gehören zu den Themen, mit denen sich der Deutsche Präventionstag (DPT) seit seiner Gründung im Jahr 1995 ständig befasst hat.

Der 12. Deutsche Präventionstag (18. und 19. Juni 2007 in Wiesbaden) stellt sie unter dem Schwerpunktthema „Starke Jugend – starke Zukunft“ in den Mittelpunkt der Vorträge, Beratungen und Diskussionen sowie des Gutachtens „Jugendkriminalität und ihre Verhinderung zwischen Wahrnehmung und empirischen Befunden“ von Dr. Wiebke Steffen.

Auf der Basis dieses Gutachtens erklären der DPT, seine ständigen Veranstaltungspartner und seine diesjährigen gastgebenden Veranstaltungspartner:

Kriminalprävention wirkt

  • In den letzten Jahren hat es positive Entwicklungen bei der Jugendkriminalität und bei der Jugendgewalt gegeben. Dazu haben auch die erheblich gesteigerten Bemühungen um Kriminalprävention bei Kindern und Jugendlichen beigetragen. Präventive Strategien haben sich in der Praxis mit bemerkenswerten Fortschritten etabliert.
  • Unter den Strategien der Gewaltprävention überwiegen pädagogisch ausgerichtete Strategien. Diese Ausrichtung wird der Tatsache gerecht, dass es die Gewaltprävention im Kindes- und Jugendalter mit Aufwachsenden zu tun hat. Der DPT unterstützt diese Ansätze.
  • Gewalt im Jugendalter muss vorrangig durch alltägliche Erziehung, durch gezieltes Lernen, durch Stärkung des Selbstwertgefühls und der Fähigkeit zur gewaltfreien Konfliktregelung sowie durch den Erwerb und die Einübung sonstiger sozialer Kompetenzen bewältigt werden.
  • Von daher betrachtet ist gewalttätiges Handeln von Kindern und Jugendlichen für die in der präventiven Arbeit Tätigen als herausfordernde Chance zu verstehen, den betroffenen jungen Menschen konkrete und wirksame Lernerfahrungen zu vermitteln.
  • Deshalb ist es auch wichtig, auf möglicherweise strafrechtlich relevantes Verhalten von Kindern und Jugendlichen zu reagieren und ihnen deutliche Grenzen zu setzen. Das muss jedoch nicht
  • notwendigerweise mit Mitteln des Strafrechts erfolgen. Informelle Reaktionen – durch Eltern, Lehrkräfte, Freunde und andere Bezugspersonen - haben sich als sehr wirkungsvoll erwiesen.
  • Die Akzeptanz und Etablierung gewaltpräventiver Strategien in den Ländern und Regionen ergibt insgesamt ein positives Bild. Zu den verbleibenden Punkten, die deutlich verbessert werden müssen, gehören eine verstärkte Zielgruppenorientierung, beispielsweise bei jungen Intensivtätern oder bei jungen Menschen mit Migrationshintergrund. Ganz wichtig ist ferner die Stärkung der Opferperspektive.
  • Der DPT sieht es als zentrale Herausforderung an, dass die vorhandenen Strategien abgesichert, weiter verbreitet und fortentwickelt werden. Dazu gehört insbesondere auch die Weiterentwicklung der Kooperationsstrukturen, der Aus-, Fort- und Weiterbildung der Beschäftigten sowie der Qualitätssicherung und Evaluation.
  • Der DPT hält ein altersgerechtes, kinder- und jugendspezifisches Verständnis von Gewalt und ein enges Verständnis von Gewaltprävention für erforderlich: Als gewaltpräventiv sollten nur diejenigen Strategien, Programme, Maßnahmen und Projekte verstanden werden, die vorrangig darauf abzielen, Gewalt im Kindes- und Jugendalter zu verhindern bzw. zu reduzieren.
  • Die Etablierung präventiver Strategien hat zu mehr Aufmerksamkeit und Sensibilität gegenüber (potenziell) gewalthaltigem Verhalten von jungen Menschen geführt. Außerdem hat die Anzeigebereitschaft in der Bevölkerung allgemein, aber auch unter Jugendlichen selbst, gegenüber früher deutlich zugenommen. Diese Entwicklungen sind im Sinne einer Kultur des Hinschauens grundsätzlich erfreulich.
  • Die zunehmende Anzeigebereitschaft auch bei Gewalthandlungen von geringer Schwere, die früher im Dunkelfeld geblieben sind, kann allerdings auch zu Problemen führen. Nämlich dann, wenn im Sinne einer Vorverlagerung der formellen sozialen Kontrolle anstelle der Stärkung informeller Konfliktlösungen alterstypisches Verhalten unter jungen Menschen - stärker als von der Sache her unbedingt erforderlich - als sozial nicht mehr erträglich eingestuft und möglicherweise sogar strafrechtlich verfolgt wird.

Jugendkriminalität entwickelt sich in den letzten Jahren generell günstig

Junge Menschen weisen ganz allgemein eine höhere offizielle Kriminalitätsbelastung auf als Erwachsene, auch und gerade im Bereich der Gewaltdelikte. Diese Tatsache kann nicht nur in Deutschland, sondern auch in den anderen europäischen Ländern sowie außerhalb Europas, etwa in Nordamerika, seit mehr als hundert Jahren, also seit der Einführung von Kriminalstatistiken, beobachtet werden. Im Rahmen dieses langfristig stabilen Grundbefundes, der unter anderem mit gesellschaftlichen Modernisierungsprozessen und deren (auch unerwünschten) Folgen zu tun hat, kommt es immer wieder zu kurz- und mittelfristigen besonderen Verläufen der
Kriminalitätsentwicklung bzw. Kriminalitätsbelastung. Dies können Rückgänge der Kriminalität, aber eben auch
merkliche und üblicherweise Beunruhigung hervorrufende Steigerungen sein. Für die unmittelbare Gegenwart gilt:

  • Im Hellfeld der Polizeilichen Kriminalstatistik geht die Jugendkriminalität als Gesamtphänomen, nachdem in den 1990er-Jahren eine Welle des deutlichen und nachhaltigen Anstiegs festzustellen war, in jüngerer Zeit wieder zurück.
  • In bestimmten Deliktsbereichen bleibt allerdings ein steigender Trend bei der amtlichen Registrierung bekannt gewordener Fälle weiterhin sichtbar. Dazu gehören die Gewaltdelikte, das sind im Jugendalter ganz überwiegend Körperverletzungen.
  • Bei der Bewertung dieses statistisch scheinbar ganz klaren Befundes ist freilich Vorsicht angebracht: Dass von Jugendlichen verübte Gewalttaten deutlich häufiger als früher polizeilich registriert werden, dass mithin die offizielle Auffälligkeit der jungen Generation zunimmt, lässt sich - vor dem Hintergrund der Befunde aktueller Dunkelfeldbefragungen - weitgehend auch mit der bereits erwähnten Sensibilisierung der Bevölkerung und der damit verbundenen steigenden Anzeigebereitschaft erklären.
  • Diese Beurteilung wird durch Befunde aktueller, in verschiedenen Regionen und Städten durchgeführter, empirischer Jugendstudien zu selbst berichteter Delinquenz (sog. Täterbefragungen) sowie zum selbst berichteten Opferwerden (sog. Opferbefragungen) gestützt.
  • Die Gewalttaten unter jungen Menschen bleiben sowohl bei Täterbefragungen als auch bei Opferbefragungen je nach Befragungsgebiet entweder überwiegend konstant oder gehen sogar zurück.
  • Bei den insgesamt mit Hilfe der Studien befragten vielen Tausenden von Jugendlichen in Deutschland lässt sich außerdem eine eher abnehmende Gewaltbereitschaft sowie eine zunehmende Missbilligung von Gewalt feststellen.
  • Die Befunde zum Hellfeld wie zum Dunkelfeld bieten also in einer Gesamtabwägung aller Umstände keine Anhaltspunkte dafür, dass die Jugend in Deutschland insgesamt dramatisch gewalttätiger und brutaler als früher geworden ist.

Jugendkriminalität ist allgemein verbreitet

  • Gesicherten Erkenntnissen nationaler wie internationaler Forschung zufolge ist delinquentes Verhalten bei jungen Menschen zwar weit verbreitet, jedoch bleibt es im Regelfall eine episodenhafte Angelegenheit.
  • Das heißt konkret: Für die Mehrzahl der jungen Menschen bedeutet Delinquenz eine nur vorübergehend auftretende und sich manchmal buchstäblich von selbst auswachsende bzw. durch Personen oder Institutionen des unmittelbaren Umfelds wieder korrigierte Auffälligkeit im Verlauf ihres Entwicklungs- und Reifungsprozesses.
  • Daher kann aus dieser alterstypischen Erscheinung auch nicht abgeleitet werden, dass junge Menschen nach Normverstößen überwiegend und stets langfristig delinquent bleiben werden.
  • Die jugendtypische Delinquenz der Mehrheit der jungen Generation hat oft mit entwicklungsbedingten personalen Problemen, mit Auseinandersetzungen im Rahmen der Selbstfindung und damit der Abgrenzung von Eltern und anderen Erziehern, mit dem Eingewöhnen in den Erwachsenenstatus und nicht zuletzt mit Einflüssen der Gleichaltrigengruppe, aber relativ selten mit gravierenden Störungen oder Erziehungsdefiziten zu tun.

 Schwere Jugendkriminalität ist selten

  • Nur bei einem kleinen Teil der Jugendlichen sind lang andauernde kriminelle Entwicklungen festzustellen. Diese sind verbunden mit der gehäuften Begehung auch schwerer Straftaten.
  • Die Entwicklungen beginnen oft schon in der Kindheit und weisen regelmäßig auf zum Teil erhebliche soziale sowie individuelle Defizite und Mängellagen hin.
  • Bei den intensiv und dauerhaft auffälligen Jugendlichen (sog. Mehrfach- und Intensivtätern) häufen sich Risikofaktoren. Schutzfaktoren fehlen bei vielen von ihnen dagegen entweder gänzlich oder stehen nicht zeitgerecht zur Verfügung.
  • Kriminalstatistische Daten, Befunde von Jugendstudien und Erfahrungen der Praxis zeigen, dass zu dieser Risikogruppe der jungen Mehrfach- und Intensivtäter vor allem männliche Jugendliche gehören, häufig solche mit einem Migrationshintergrund.
  • In solchen erheblicheren Fällen von Auffälligkeit ist es besonders wichtig, den Jugendlichen deutliche Grenzen aufzuzeigen. Dazu gehört auch eine rasche, also möglichst tatnahe Reaktion. Um erforderlichenfalls erheblich eingreifende oder länger dauernde Maßnahmen möglichst gut auf den einzelnen jungen Menschen ausrichten und wirksam ausgestalten zu können, empfehlen sich fachübergreifende Vorgehensweisen, beispielsweise Fallkonferenzen im Rahmen der ressortübergreifenden Zusammenarbeit von Jugendhilfe, Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht.

Daraus folgt:

Junge Menschen haben zu allen Zeiten Grenzen überschritten, Sanktionsspielräume ausgetestet, Abenteuer im Rahmen ihrer Möglichkeiten gesucht und Anerkennung unter Gleichaltrigen angestrebt. Dabei ist es schon immer zu Normverstößen, also auch zu grundsätzlich strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen, gekommen.

  • Die öffentliche Wahrnehmung, dass gerade heutzutage die Jugendkriminalität immer häufiger und Jugendgewalt immer brutaler als je zuvor wird, lässt sich mit den vorliegenden empirischen Befunden so nicht belegen.
  • Verlässliche Anhaltspunkte für eine flächendeckend zunehmende Brutalisierung junger Menschen sind weder den Erkenntnissen aus Dunkelfeldstudien, noch den Angaben aus polizeilichen, justiziellen oder anderen Statistiken zu entnehmen.
  • Auch die weit verbreitete Annahme einer deutlich und andauernd zunehmenden Gewalt von Mädchen oder der Gewalt in Schulen lässt sich nicht belegen.

Das Auseinanderfallen von öffentlicher Wahrnehmung und empirischen Befunden zur Jugendkriminalität und Jugendgewalt hat verschiedene Ursachen.

Zu den wichtigsten gehört eine Medienberichterstattung, die sich bevorzugt an tatsächlich in Abständen vorkommenden spektakulären, in Teilen durchaus vorher ungewohnten und daher schon aus sich selbst heraus Aufsehen erregenden, Einzelfällen orientiert, eher unspektakuläre statistische Befunde zum Gesamtgeschehen typischerweise jedoch weniger thematisiert.

Dadurch kann sich im Lauf der Zeit in der Bevölkerung der Eindruck verfestigen, nicht nur eine kleine Anzahl junger Menschen, sondern ganz viele und ständig größer werdende Anteile von Kindern und Jugendlichen würden kriminell und gewalttätig, und zudem in der Art und Weise ihres Verhaltens rücksichtloser und brutaler als ihre Altersgenossen früherer Jahrgänge. Gerade in unruhigen Zeiten wie den gegenwärtigen, in denen die Bevölkerung von Besorgnis und Ängsten aller Art betroffen zu sein scheint, ist es wichtig, Empfindungen von Angst und Bedrohung im Bereich der Problemlagen und auffälligen Verhaltensweisen junger Menschen abzubauen, indem ausgewogen berichtet und diskutiert wird.

Deshalb hält es der DPT für eine zentrale und stetige Aufgabe aller Sachkundigen und Verantwortlichen, auf die Fakten in ihrer ganzen Breite zu verweisen: auf die Fakten zur Jugendkriminalität ebenso wie auf die Fakten zu den vielfältigen Möglichkeiten, delinquentem Verhalten von Kindern und Jugendlichen wirkungsvoll vorzubeugen.

Diese Fakten verdichten sich zu dem durch empirische Erhebungen unterstützten generellen Befund, dass die Entwicklungen keineswegs so eindeutig, wie dies gemeinhin unterstellt wird, ganz allgemein in die Richtung des „immer mehr, immer schlimmer, immer jünger, immer hoffnungsloser“ gehen.

Es gibt freilich, insbesondere nach den Erfahrungen der Praxis, spezifische Handlungsfelder, die auch gegenwärtig Besorgnis erwecken und intensiv weiter im Blick zu behalten sind. Dazu gehören neben der schon genannten Mehrfach- und Intensivtäterschaft sowie neben den Integrationsproblemen bei jungen Menschen mit Migrationshintergrund auch die Gefahren durch neue Medien, durch frühen Alkohol- und Drogenkonsum sowie durch Vandalismus.

Die generell günstige Jugendkriminalitätsentwicklung darf ferner nicht den Blick dafür verstellen, dass sich in einzelnen Städten und Gemeinden räumlich oder gruppenmäßig umgrenzte besondere Problemlagen ausprägen und bei fehlender oder nicht geeigneter Reaktion anhaltend verdichten können, sei es in Stadtvierteln oder Nachbarschaften, sei es in Jugendtreffpunkten, Jugendhäusern oder auch Schulen. Hier gilt es, durch effektive und möglichst integrierte Programme kommunaler Kriminalprävention zielgenau gegenzusteuern.

Der DPT appelliert an die Verantwortlichen in Medien und Politik,

  • die positiven Entwicklungen der Jugendkriminalität zur Kenntnis zu nehmen,
  • die erzieherische Grundhaltung der kriminalpräventiven Initiativen und Programme zu unterstützen sowie
  • die vielfältigen Kooperationen zwischen den verschiedenen Handlungsfeldern im Sinne eines gesamtgesellschaftlichen Verständnisses von Kriminalprävention zu fördern.

Der DPT hält es für äußerst wichtig, dass Daten zur Jugendkriminalität bzw. Strategien der Gewaltprävention im Kindes- und Jugendalter auf wissenschaftlicher Basis und unter intensiver Einbeziehung der Erfahrungen der Fachpraxis umfassend dargestellt und diskutiert werden.

Daher begrüßt der DPT nachdrücklich

  • die von der Bundesregierung vorgelegten Periodischen Sicherheitsberichte und
  • den auf einen Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz zurückgehenden Bericht des Deutschen Jugendinstitutes, der unter Beteiligung des Deutschen Forums für Kriminalprävention und der Polizeilichen Kriminalprävention der Länder und des Bundes erstellt worden ist.

Wiesbaden, 18.06.2007

Unbenanntes Dokument

Gutachten
Starke Jugend - Starke Zukunft
Jugendkriminalität und ihre Verhinderung zwischen Wahrnehmung und empirischen Befunden
Wiebke Steffen
Heiligenberg / München

Quelle: http://www.praeventionstag.de

 

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