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SolidaritätHannoveraner Erklärung des 14. Deutschen Präventionstages
"Solidarität leben - Vielfalt sichern"

Nachfolgende Erklärung wurde vom 14. Deutschen Präventionstag in Hannover abgegeben basierend auf dem Gutachten von Dr. Wiebke Steffen.

Unsere Gesellschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten in allen wesentlichen sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Bereichen in einem geradezu atemberaubenden Tempo verändert. Unübersehbar haben die gesellschaftlichen Modernisierungs- und Umstrukturierungsprozesse Chancen, aber auch Risiken gebracht, haben nicht nur Sonnenseiten, sondern auch Schattenseiten, haben nicht nur Gewinner, sondern auch Verlierer. Das sind Entwicklungen, die durch die aktuellen (wirtschaftlichen) Ereignisse noch einmal betont und beschleunigt worden sind.

Zu den Modernisierungsrisiken gehören auch soziale Desintegration und mangelnde soziale Teilhabe. Beides kann zu einem Anstieg des gesellschaftlichen Kriminalitätsniveaus, insbesondere des Gewaltniveaus sowie der Angst davor führen. Deshalb hat der 14. Deutsche Präventionstag diese Problematik – oder vielmehr: Wege aus dieser Problematik - zu seinem Schwerpunktthema gemacht: „Solidarität leben – Vielfalt sichern“.

Auf der Basis des Gutachtens von Dr. Wiebke Steffen „Moderne Gesellschaften und Kriminalität. Der Beitrag der Kriminalprävention zu Integration und Solidarität“ zum Schwerpunktthema geben der Deutsche Präventionstag, seine ständigen Veranstaltungspartner sowie seine diesjährigen gastgebenden Veranstaltungspartner diese „Hannoveraner Erklärung“ ab. 

Lebenslagen und Lebenschancen in Deutschland: Risiken nehmen zu, die Gesellschaft driftet immer weiter auseinander

  • Die Modernisierung unserer Gesellschaft mit ihren Merkmalen der zunehmenden funktionalen Differenzierung, der Individualisierung und der sozialen Desintegration hat nicht nur für die Gesellschaft insgesamt, sondern auch für die Einzelnen Chancen wie Risiken gebracht.
  • Die Einzelnen haben nicht nur weit größere Chancen zu persönlicher Unabhängigkeit und Autonomie als in früheren Gesellschaften, können nicht nur sein Leben (weitgehend) selbst bestimmen, sie müssen es auch – und nicht alle sind dazu fähig und in der Lage.
  • Das vor allem dann nicht, wenn ihre realen Lebensbedingungen die soziale Teilhabe und Integration in die Gesellschaft (drastisch) beschränken.
  • Die Lebenslagen haben sich für große Teile der Bevölkerung in Deutschland in den letzten Jahren und Jahrzehnten erheblich verschlechtert. Das machen alle Berichte und Analysen etwa zu den Armutsrisiken, zur Bildungssituation, zur Integration von Migranten und ihren Kindern deutlich: Die Gesellschaft driftet immer weiter auseinander, die sozialen Unterschiede werden größer, Integrationsprobleme nehmen zu, die soziale Teilhabe ganzer Bevölkerungsgruppen ist in Frage gestellt.
  • Die Verschlechterung der Lebenslagen und damit auch der Lebenschancen wirkt sich vor allem zum Nachteil von Kindern und Jugendlichen aus. Einkommens-, Bildungs- und Integrationsarmut führen zu Entwicklungsstörungen und betreffen insbesondere Kinder unterer Sozialgruppen und solche mit einem Migrationshintergrund.

Kriminalität als Folge und Risiko von gesellschaftlicher Modernisierung und prekären Lebenslagen: Noch ist die Lage erstaunlich günstig

  • Auf gesellschaftlicher Ebene zählen Kriminalität und Kriminalitätsfurcht zu den Modernisierungsrisiken, können gesellschaftliche Desintegrationserscheinungen - wie die Verschärfung sozialer Ungleichheit, der Rückzug der Menschen aus den Institutionen, die Zerstörung sozialer Beziehungen, die Pluralisierung von Werten und Normen -, zu einem Anstieg des Kriminalitätsniveaus führen, insbesondere des Gewaltniveaus. Auf der individuellen Ebene gelten die damit korrespondierende Einkommens-, Bildungs- und Integrationsarmut sowie die Erfahrung sozialer Ungerechtigkeit und sozialen Ausschlusses als wichtige Ursachen von Kriminalität, insbesondere von Gewaltkriminalität.
  • Erstaunlicherweise zeigen jedoch weder die Längsschnittauswertungen der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik für die Bundesrepublik Deutschland, noch die Ergebnisse von Dunkelfelduntersuchungen – jeweils mit dem Schwerpunkt auf der Jugendgewaltkriminalität -, dass sich die Zunahme sozialer Desintegrationserscheinungen (auch) in Richtung einer Zunahme der Jugendgewaltkriminalität auswirkt. Zumindest nicht im Sinne von unilinearen, eindeutigen Zusammenhängen.
  • Diese überraschend günstige Entwicklung der Jugendkriminalität insgesamt und auch der Jugendgewaltkriminalität darf allerdings nicht den Blick darauf verstellen, dass sich sowohl im Hellfeld wie im Dunkelfeld der Kriminalität auch problematische Entwicklungen und Befunde zeigen. So gibt es nicht nur in einzelnen Städten und Gemeinden räumlich oder gruppenmäßig umgrenzte besondere Problemlagen, sondern auch intensiv und dauerhaft auffällige junge Menschen.
  • Für die jungen Gewalt-Intensivtäter, von denen sehr viele einen Migrationshintergrund haben, sind problematische Lebenslagen und die Kumulation von Risikofaktoren kennzeichnend. Von diesen Faktoren und den damit verbundenen Desintegrations- und Exklusionserfahrungen her, kann die hohe Belastung dieser „Systemverlierer“ mit Gewaltkriminalität nicht überraschen. Allerdings ist das ein Befund, der nicht erst seit einigen Jahren festzustellen ist und deshalb auch nicht nur in einen Zusammenhang mit den größer werdenden sozialen und ethno-kulturellen Unterschieden gebracht werden kann.

 Der Beitrag der Kriminalprävention zu Integration und Solidarität: Inklusion statt Exklusion

  • Eine Erklärung für die überraschend günstige Entwicklung der Jugendgewaltkriminalität dürfte in der im allgemeinen deutlichen, aber angemessenen Reaktion auf diese Kriminalität liegen und hier insbesondere in der sehr positiven Entwicklung, die Programme und Maßnahmen der Kriminalprävention In Deutschland genommen haben.
  • Kennzeichnend ist die erzieherische Grundhaltung dieser kriminalpräventiven Strategien, nämlich die Überzeugung, dass Gewalt im Kindes- und Jugendalter vorrangig durch Erziehung, Lernen und Kompetenzerwerb bewältigt werden kann. Diese erzieherische Grundhaltung ist eine inkludierende, Solidarität vermittelnde Haltung. Sie signalisiert: „Wir geben euch nicht auf, wir wollen, dass ihr dazu gehört“.
  • Wenn Kriminalprävention auf Inklusion, auf soziale Teilhabe und Partizipation gerichtet ist, den öffentlichen Raum sichert und das Sicherheitsgefühl verbessert, dann ist und schafft sie auch soziales Kapital: Eine Atmosphäre der Solidarität, der Zugehörigkeit und des sozialen Vertrauens, der Verlässlichkeit der gemeinsam geteilten Regeln, Normen und Werte und nicht zuletzt des Vertrauens in die Institutionen des Staates.
  • Dadurch leistet Kriminalprävention einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Gewährleistung von Vielfalt, gerade in „unsicheren Zeiten“. Es geht namentlich darum, die Pluralität sozialer sowie ethnisch-kultureller Gruppierungen, Lebensstile, Verhaltensweisen, Werte und Normen zu sichern. Es gilt, die mit ihnen verbundenen Chancen für ein anregendes Zusammenleben zu nutzen, aber auch gelegentliche Spannungen, wie sie auch sonst in Gemeinschaft und Gesellschaft unvermeidlich auftreten, aushalten zu lernen.

 Der Deutsche Präventionstag appelliert an die Verantwortlichen in der Politik und in den Medien sowie in zivilgesellschaftlichen Gruppierungen auf kommunaler, Landes- und Bundesebene:

  • den Beitrag der Kriminalprävention zu sozialer Teilhabe, Integration und Solidarität wahrzunehmen, zu würdigen und diesen bewährten Weg der Verdeutlichung gesellschaftlich verbindlicher Normen und Werte zu unterstützen und auszubauen;
  • gerade den jungen Menschen, die sich nicht nur am Rande der Gesellschaft fühlen, sondern es auch sind, Zugehörigkeit zu vermitteln, sie zu integrieren und nicht – etwa durch repressive Maßnahmen - weiter auszuschließen und auszugrenzen;
  • Einkommens-, Bildungs- und Integrationsarmut abzubauen, sozialen Desintegrationserscheinungen entgegen zu wirken mit dem Ziel einer gleichberechtigten wirtschaftlichen, politischen, sozialen und kulturellen Teilhabe aller Bevölkerungsgruppen.

Der 14. Deutsche Präventionstag greift auch die Forderungen und Appelle der „Wiesbadener Erklärung“ des 12. Deutschen Präventionstages (18. – 19. Juni 2007 in Wiesbaden) und der „Leipziger Erklärung“ des 13. Deutschen Präventionstages (2. – 3. Juni 2008 in Leipzig) auf

  • die positiven Entwicklungen der Jugendkriminalität zur Kenntnis zu nehmen,
  • die erzieherische Grundhaltung der kriminalpräventiven Initiativen und Programme zu unterstützen,
  • die vielfältigen Kooperationen zwischen den verschiedenen Handlungsfeldern im Sinne eines gesamtgesellschaftlichen Verständnisses von Kriminalprävention zu fördern sowie
  • alle Möglichkeiten zu nutzen, um bürgerschaftliches Engagement für Kriminalprävention auszudehnen und zu intensivieren, denn ohne engagierte Bürgerinnen und Bürger ist eine sichere Gesellschaft nicht möglich.

Hannover, 9. Juni 2009

Gutachten
"Solidarität leben - Vielfalt sichern"
Moderne Gesellschaften und Kriminalität. Der Beitrag der Kriminalprävention zu Integration und Solidarität.

Wiebke Steffen
Heiligenberg / München

Quelle: Deutscher Präventionstag: Hannoveraner Erklärung des 14. Deutschen Präventionstages, in: Kerner, Hans-Jürgen u. Marks, Erich (Hrsg.), Internetdokumentation des Deutschen Präventionstages. Hannover 2009, www.praeventionstag.de/Dokumentation.cms/868 

 

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